Die montanhistorische Kulturlandschaft im südwestlichen Lahn-Dill-Gebiet

- Masterarbeit im Fach Denkmalpflege/Heritage conservation -

Grundlagen und Fragestellung

Das Lahn-Dill-Gebiet, der Wirtschaftsraum zwischen oberem und mittlerem Verlauf von Lahn und Dill in Mittelhessen, gehörte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem der größten Eisen- und Manganerzfördergebiete des Deutschen Reiches. Archäologische Funde belegen einen jahrtausende alten Bergbau an der Lahn und ihren Nebenläufen. Bis zur territorialen Konsolidierung im 19. Jahrhundert herrschte eine politische Zersplitterung, die größere wirtschaftliche und soziale Unterschiede zur Folge hatte und die Entwicklung des Bergbaus hemmte. Erst mit der einheitlichen Berggesetzgebung, dem Engagement privater Bergbaugesellschaften, dem Bau neuer Hüttenwerke, der Schiffbarmachung der Lahn und der Eröffnung der Lahntalbahn, kam es zum sprunghaften Aufstieg der Bergbauindustrie im Lahntal. Oberflächennahe Lagerstätten liesen zahlreiche Grubenbetriebe entstehen, die zunächst noch im Nebenerwerb von der Dorfbevölkerung betrieben wurden. Schließlich setzten sich, vor allem im Zuge der technischen Entwicklung, die großen Bergbaugesellschaften wie Buderus und Krupp durch. Aus den kleinen Grubenfeldern wurden wirtschaftlichere Betriebe geformt. Der im folgenden beschriebene Untersuchungsraum spiegelt die politische, wirtschaftliche, technische und soziale Entwicklung der Lahn-Dill-Region wieder. Bis 1910 war aus über 30 kleineren Grubentrieben des 19. Jahrhunderts die “Konsolidierte Grube Laubach” auf dem Gebiet der Städte Solms und Wetzlar und der Gemeinde Schöffengrund im Lahn-Dill-Kreis entstanden, in der bis 1962 Erz gefördert wurde. Während wohnortnahe und im Offenland befindliche Relikte weitestgehen verschwunden sind, haben sich im ausgedehnten Waldgebiet viele montanhistorische Relikte unterschiedlicher Art erhalten können.

Erfassung und Bewertung

Grundlage einer Definition einer montanhistorischen Kulturlandschaft bildet die Erfassung der spezifischen Elemente. Zunächst musste die bereits bestehende Typologie überprüft, weiterentwickelt und ergänzt werden. Gleiches galt für die Bewertungskriterien von Kulturlandschaften. Die Einordnung der montanhistorischen Relikte erfolgte daraufhin in Grubenfelder (rechtlich abgesteckte Flächen; Grundlage des Grubenbetriebes); Tagebaue (Oberflächennahe Abbauspuren unterschiedlicher Größen; Hohlformen), Schachtanlagen (meistens in Form von Kegelstumpfhalden), Stollenanlagen (Kerbpingen der zugeschossenen Stollenmundlöcher mit Stollenhalde oder noch existende Stollenmundlöcher), Halden (verschiedenenFormen; meist bei Tagebau oder Stollen, aber räumlichgetrennt; Vollformen), Tagesanlagen und Betriebsgebäude (um Zechenplätze gruppiert; aus Zechenhaus, Waschkaue, Werkstätte, Lagergebäude, Verladeeinrichtungen usw.), Fuhrwege (mit ursprünglichem und/oder besonderem Belag), Pferde-/Kleinbahntrassen (Verlauf auf Damm, im Gelände an- und -ausschnitt, an Geländekante oder als Bremsbergförderung) sowie sonstige montanhistorische Relikte. Die Bewertung erfolgte von 1=niedrig bis 4=hoch in den Kategorien Dokumentationswert, Eigenartswert, Erhaltungszustand, Repräsentativität, Ensemblebedeutung und Seltenheit. Hinzu kam noch der Gefährdungsgrad. Als Ergebnis konnten so Analyse und Handlungsempfehlungen objektspezifisch und in Gesamtbetrachtung entwickelt werden. Einige Relikte wurden dabei in ihrer Zusammengehörigkeit betrachtet und so als flächenhafte Elemente kartiert. Insgesamt wurden abschließend 99 montanhistorische Objekte erfasst, die als wichtige Bestandteile einer montanhistorischen Kulturlandschaft angesehen werden: sechs Grubenfelder (mit einer besondershoher Dichte von Elementen), 32 Tagebaue, 16 Stollenanlagen, zwölf Halden, fünf Tagesanlagen, ein Fuhrweg, acht Pferdebahnteilstrecken und drei sonstige Objekte. Die Betrachtung einer “montanhistorischen Kulturlandschaft” kann sich lediglich auf einen Teilausschnitt der historischen Kulturlandschaft beziehen. Dem entsprechend sind als Hauptmerkmale dabei die Hohl- und Vollformen, die der Mensch durch den Erzabbau hinterlassen hat und die die Landschaft in großem Maße prägen ,zu betrachten. Hinzu kommen noch die zahlreichen baulichen Hinterlassenschaften. Durch diese Fülle der unterschiedlichen Elemente mit ihrer wirtschaftllichen, technischen und sozialen Entwicklungsgeschichte, kann die montanhistorische Kulturlandschaft im Gesamten definiert und schließlich als montanhistorische Kulturlandschaft "Konsolidierte Grube Laubach” abgegrenzt werden.

Handlungsempfehlungen

Alle aufgenommenen Elemente sind als technische Denkmäler anzusehen, müssen allerdings nach dem Hessischen Landesrecht differenziert eingeordnet werden, wenn es um ihren Einzelschutz geht. Derzeit sind lediglich drei Elemente auch eingetragene Baudenkmäler. Fünf weitere Elemente sind als Einzeldenkmäler anzusprechen. Stollen- und Schachtanlagen stellen Bodendenkmäler dar. Hervorzuheben sind die Reste der zwei Pferde-/Kleinbahnsysteme, deren Erhaltungszustand und Bedeutung eine Eintragung als Baudenkmäler rechtfertigt. Halden und Tagebaue sind schwieriger in eine Denkmalkategorie einzuordnen, allerdings stellen sie in Verbindung mit den anderen Elementen einen wichtigen Teil der montanhistorischen Kulturlandschaft dar. Weiterhin sind die zahlreichen Vermessungs-, Grubenfeldergrenz- oder Fundpunktsteine als Kleindenkmäler anzusprechen, da sie wichtige Zeugnisse des Bergrechts und wegen Größe und Standort durch Zerstörung, Diebstahl und/oder Translozierung gefährdet sind. Während für die Elemente eine Gefährdung durch Verwitterung, Tierbauten, Forstwirtschaft, Vermüllung und fehlender Bauunterhaltung besteht, geht gerade von den Stollen- und Schachtanlagen im Waldgebiet auch eine Gefahr für den Menschen aus. Stolleneinstürze oder das Nachsacken der meist nur notdürftig verschlossenen Schächte sind unterschätzte und zuweilen auch unbekannte Gefahren. So bildet die Kartierung der Elemente gleichzeitig eine Möglichkeit den Schutz des montanhistorischen Erbes in Form der Bau- und Bodendenkmäler im Einzelnen und im Gesamtzusammenhang in einer montanhistorischen Kulturlandschaft zu erreichen und für eine Sensibilisierung der Waldnutzer -Erholungssuchende wie Forstarbeiter-  vor den Gefahren des Altbergbaus zu schützen. 

Perspektiven

Das beschriebene Vorgehen im Untersuchungsraumkann auf andere montanhistorisch geprägte Bereich einnerhalb der Lahn-Dill-Region angewendet werden und würde somit einen Beitrag leisten, diese wichtige Epoche und ihre gefährdeten Hinterlassenschaften zu erfassen, zu schützen und z. B. im Rahmen des Geopark  Westerwald-Lahn-Taunus zu vermitteln, um so einem dauerhaften Erhalt für künftige Generationen ein Stück näher zu kommen.